Die Anwendung von Cannabis ist etabliert in der Schmerztherapie (u. a. bei Krebserkrankungen), sowie bei den Nebenwirkungen einer Chemotherapie wie Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit. Bereits seit den 1950er Jahren ist bekannt, dass Cannabis eine gewisse antitumorale Aktivität hat. Bis heute gibt es jedoch nur Hinweise aus Zellkulturstudien und Tierversuchen, dass einige Wirkstoffe aus der Hanfpflanze, wie das THC und das Cannabidiol, krebshemmend sein können. Bislang wurde nur eine klinische Studie an 9 Freiwilligen mit terminalem Glioblastom durchgeführt, die gegen eine Standardtherapie resistent waren und denen THC direkt in den Tumor gespritzt wurde. Bei einigen der Patienten ↗︎ kam es zur Hemmung bzw. Verlangsamung des Tumorzellwachstums. Diese Ergebnisse lassen hoffen, dass Cannabis zu einem wichtigen Baustein in der Krebstherapie werden kann. Weitere klinische Studien werden derzeit durchgeführt, ↗︎ es gibt aktuell noch keine publizierten Daten.
Welchen Einfluss haben Cannabinoide auf chronisch inflammatorische Erkrankungen bzw. Krebs?
Folgende Wirkungen wurden bisher in Tierversuchen bzw. Zellinien nachgewiesen. Diese könnten jedoch auch eine wirksame Tumorbekämpfung durch das Immunsystem verhindern, insofern besteht noch ein großer Bedarf an weiteren Studien.
• Induktion der Apoptose
• Hemmung der Proliferation von Immunzellen
• Hemmung der Zytokin-Bildung
• Induktion regulatorischer T-Zellen
• Verschiebung des Th1-/Th2-Gleichgewichts in Richtung des antiinflammatorischen Th2-Profils
• Hemmung des Wachstums von Tumorzellen
• Mögliche Hemmung der Gefäßneubildung (Tumorversordung wird unterbunden)
• Hemmung des Wachstums von Leukämiezellen
• Verlangsamte Metastasenbildung bei Brustkrebs
Diese Wirkungen können recht unterschiedlich sein, denn sie sind abhängig von dem jeweiligen Cannabinoid (es gibt ca. 100 unterschiedliche Cannabinoid-Substanzen), dem Zelltyp und der verabreichten Dosis. In optimaler Dosierung wird die Apoptose von Immunzellen eingeleitet, die inflammatorische Reaktion herunterreguliert und somit der Organismus vor den Folgen einer akuten bzw. chronischen Inflammation geschützt. Demnach sind Cannabinoide sinnvoll, wenn eine Immunsuppression notwendig ist. Nachdem diese Ergebnisse aber aus Tierversuchen und Zellkulturen stammen, steht die Validierung in klinischen Studien noch aus.
Zum Einsatz von Cannabinoiden bei Autoimmunerkrankungen ↗︎ gibt es bereits vielversprechende Ergebnisse:
• Multiple Sklerose
THC hemmte die Neurodegeneration in einem Tiermodell der Multiplen Sklerose und reduzierte hohe Glutamat-Konzentrationen in der Zerebrospinalflüssigkeit. Wenn Glutamat hier in hohen Konzentrationen vorkommt, werden neurodegenerative Prozesse begünstigt. Auch die motorischen Regionen im ZNS werden durch Cannabinoide herunterreguliert, im Tierversuch kam es zur Verbesserung der motorischen Symptomatik (Spastizität, Tremor und Ataxie).
• Rheumatoide Arthritis
Ein erhöhter Abbau des Knorpels ist wesentliches Merkmal der Ostoarthritis und der Rheumatoiden Arthritis. Induziert wird der Abbau durch inflammatorische Zytokine, vor allem IL-1 und TNF, die von den Chondrozyten der Gelenke sowie den synovialen Zellen sezerniert werden. In Vitro Studien haben gezeigt, dass Cannabinoide den IL-1 induzierten Abbau von Kollagen und Proteoglykan hemmen, und somit die extrazelluläre Matrix des Knorpels erhalten. Zusätzlich hemmen sie die Produktion von Enzymen (Metalloproteinasen), die am Abbau des Knorpels beteiligt sind.
• Typ 1 Diabetes
Bei dieser Erkrankung werden die pankreatischen B-Zellen zerstört, bei der anfänglichen Insulitis kommt es zur entzündlichen Infiltration von Zellen des Immunsystems in die Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse. Im Tierversuch hat Cannabidiol die Insulitis gehemmt bzw. verzögert. Cannabidiol wirkt aber auch bereits bei der manifesten Erkrankung und reduzierte die Diabetes-Inzidenz um 50 % bei prädisponierten Mäusen. Sofern Cannabidiol die Verlagerung einer Th1-Antwort in Richtung einer Th2-Antwort verursacht, könnte es in der Prävention bei Hochrisiko-Patienten eingesetzt werden. Sobald die protektive Th2-Antwort etabliert ist, wäre die Einnahme von Cannabidiol nicht mehr notwendig.
• Entzündliche Darmerkrankungen
Cannabis wird eingesetzt zur Heilung von entzündlichen Darmerkrankungen. Die daran beteiligten Mechanismen sind noch unklar, beinhalten aber wahrscheinlich sowohl die CB1- und CB2-Rezeptoren, wie auch zentrale Wirkungen. Es wird angenommen, dass Cannabinoide zur epithelialen Wundheilung in Darm beitragen.Das Endocannabinoide System mit den CB1- und CB2-Rezeptoren kann den Darm vor Hyperstimulation schützen, dadurch könnte die THC-vermittelte Besserung der Reizdarm-Symptomatik (vor allem Durchfälle) erklärt werden. In einer klinischen Studie mit 21 Morbus Crohn-Patienten wurde durch Cannabis eine Remission bei 50 % der Patienten erzielt. Etwa 80 % der 21 Patienten sprachen nicht auf TNF-Blocker an, die derzeit bei schweren oder therapierefraktären Schüben eingesetzt werden. Sobald die Cannabis-Therapie abgesetzt wurde, kam es nach 2 Wochen zu einer Verschlechterung der Symptomatik. In einer anderen Studie kam es zu erheblichen Besserungen, vor allem der Durchfälle, so dass durch Cannabis die bisherige Medikation reduziert werden konnte. In einer anderen klinischen Studie mit Reizdarm-Patienten wurde gezeigt, dass Cannabis zur Besserung der Bauchschmerzen führte.
• Fibromyalgie
Chronische, weit verbreitete Schmerzen, eine erhöhte schmerzhafte Druckempfindlichkeit Müdigkeit, Morgensteifigkeit, Schlaf- und emotionale Störungen sowie kognitive Dysfunktion sind die typischen Symptome einer Fibromyalgie. In einer Studie mit Fibromyalgie-Patienten, die chronische Cannabiskonsumenten waren, wurde eine signifikante Verringerung der Schmerzen und Steifheit festgestellt, eine Verbesserung der Entspannung sowie eine Zunahme des Wohlbefindens beobachtet.