Schizophrenie: Gluten-Sensitivität, Entzündungsmarker und Darmbarriere

Selbst nach mehr als 100 Jahren Schizophrenie-Forschung ist die Pathogenese der Krankheit immer noch nicht vollständig geklärt. Dies ist auf die Heterogenität der Pathogenese und des klinischen Verlaufs zurückzuführen. Die Entstehung beruht wahrscheinlich auf dem Zusammenspiel von genetischen und umweltbedingten Faktoren, die zu neurochemischen, neurostrukturellen und neurofunktionalen Veränderungen im Gehirn führen. Auch heute noch gibt es viele verschiedene Theorien und Hypothesen zu den Ursachen der Erkrankung. 1992 stellte Smith die Makrophagen-(Zytokin-)Theorie der Schizophrenie vor, wonach die Störung auf immun-entzündlichen Reaktionen beruht. Dieser Wissenschaftler sah bereits vor 30 Jahren den Gastrointestinaltrakt als den Bereich an, in dem nach den Ursachen der Immunaktivierung gesucht werden sollte. Immer mehr Belege, sowohl aus präklinischen wie auch klinischen Studien, bestätigen die Gültigkeit von Smiths´ Theorie. Sie alle wiesen erhöhte Spiegel der pro-inflammatorischen Zytokine Interleukin-1β (IL-1β), Interleukin-6 (IL-6), Interleukin-10 (IL-10) und Tumor-Nekrose-Faktor α (TNF-α) nach. Die Darm-Mikrobiota-Gehirn-Achse, die eine bidirektionale Kommunikation zwischen dem Gastrointestinaltrakt und dem Gehirn vermittelt, spielt eine wichtige Rolle für die Entwicklung psychischer Störungen. Die Interaktionen erfolgen über endokrine, Stoffwechsel-, neuronale und Immunwege. Aus einer Störung des Gleichgewichts der Gehirn-Darm-Mikrobiota-Achse kann eine Störung der Integrität der Darmbarriere resultieren. Die Hyperpermeabilität des Darms bewirkt das Eindringen von Antigenen in den Blutkreislauf und die Aktivierung der immunentzündlichen Signalkaskade. Verschiedene Studien wiesen bei Schizophrenie-Patienten das Vorhandensein einer strukturellen Schädigung der Darmbarriere nach. Gluten, das Speicherprotein von Getreidearten wie Weizen und Gerste trägt zu dieser immun-entzündlichen Aktivierung im Lumen des Gastrointestinaltrakts bei. Bereits in den 1950er Jahren war der Zusammenhang zwischen dem Auftreten von jugendlicher Schizophrenie und Zöliakie bekannt. In den 1960er Jahren wurde nachgewiesen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Menge des verzehrten Getreides und dem Risiko für die Entwicklung von Schizophrenie. Weitere Studien der vergangenen Jahre fanden bei Patienten mit Schizophrenie eine höhere Prävalenz klinisch signifikanter Anti-Gluten Antikörpertiter (AGA IgA und AGA IgG) im Vergleich zu gesunden Personen. Dieser Zusammenhang scheint auch durch die klinischen Fälle bestätigt zu werden, die eine teilweise oder vollständige Remission der Schizophreniesymptome nach einer glutenfreien Diät beschreiben, sowie die Ergebnisse der ersten randomisierten, klinischen Doppelblindstudie. Das Ziel einer neuen Studie bestand darin, die Unterschiede in den Konzentrationen von Markern zu bestimmen, die mit der Bildung von IgG- und IgA-Antikörpern gegen Gliadin, Inflammation und Integrität der Darmwand einhergehen. Dazu wurden Patienten mit der ersten Schizophrenie-Episode (1S), chronische Schizophreniepatienten (CS) und gesunden Personen (G) untersucht, um mögliche Zusammenhänge zwischen Entzündung, Glutensensitivität und Darmdurchlässigkeit herzustellen. Die gesamte Patienten-Stichprobe umfasste 162 Personen (52 1S, 50 CS und 60 G). Untersucht und verglichen wurde die Beurteilung der Ernährung und die Serumkonzentrationen von hochempfindlichem C-reaktivem Protein (hs-CRP), Interleukin-6 (IL-6), lösliches CD14 (sCD14), Anti-Saccharomyces cerevisiae-Antikörper (ASCA), Antigliadin-Antikörper (AGA) IgA/IgG, Antikörper gegen Gewebetransglutaminase 2 (anti-tTG) IgA, Anti-deamidierte Gliadinpeptide (Anti-DGP) IgG. Die Ergebnisse zeigten einen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen bezüglich der Spiegel von sCD14, ASCA, hs-CRP, IL-6 und AGA-IgA. Die AGA-IgG/IgA-Werte waren sowohl in der 1S-Gruppe höher (11,54 %; 30,77 %), als auch in der CS-Gruppe (26 %; 20 %), im Vergleich zu den gesunden Probanden. Der Zusammenhang zwischen intestinaler Permeabilität und Entzündung wurde nur bei schizophrenen Patienten festgestellt. Ein klarer Zusammenhang wurde nachgewiesen für das Risiko einer Schizophrenie bei positivem AGA IgG. Entzündungen und Überempfindlichkeitsreaktionen auf Nahrungsmittel die durch eine erhöhte intestinale Permeabilität ausgelöst werden, können zur Pathophysiologie der Schizophrenie beitragen. Die Autoren kommen durch die Ergebnisse ihrer Studie zu folgenden Schlussfolgerungen: Die Studie zeigt Unterschiede bei Markern für die Durchlässigkeit des Darms, Entzündungen und Glutensensitivität zwischen Schizophreniepatienten und gesunden Personen auf. Der Zusammenhang zwischen Entzündung, Darmparametern und Glutensensitivität nur bei Schizophrenie-Patienten deutet auf eine mögliche Störung der Darm-Mikrobiota-Hirn-Achse bei dieser Erkrankung. Die bei Schizophreniepatienten festgestellte Immunreaktion auf Gluten hängt von der Phase und Dauer der Erkrankung ab. Quellen 1. Skonieczna-Żydecka, K. et al. Second-generation antipsychotics and metabolism alterations: a systematic review of the role of the gut microbiome. Psychopharmacology (Berl) 236, 1491–1512 (2019). 2. McLean, R. T., Wilson, P., Clair, D. S., Mustard, C. J. & Wei, J. Differential antibody responses to gliadin-derived indigestible peptides in patients with schizophrenia. Translational Psychiatry 7, (2017). 3. Lionetti, E. et al. Gluten psychosis: Confirmation of a new clinical entity. Nutrients 7, 5532–5539 (2015). 4. Dale, H. F., Biesiekierski, J. R. & Lied, G. A. Non-coeliac gluten sensitivity and the spectrum of gluten-related disorders: an updated overview. 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