Weizen gehört weltweit zu den am häufigsten konsumierten Getreidearten, und bildet nach wie vor einen wesentlichen Teil der westlichen Ernährung. Der Proteingehalt von Weizen beträgt zwischen 7 % und 22 %. Gluten (oder Klebereiweiß) macht etwa 80 % des Proteinanteils aus und besteht aus dem kettenförmigen Glutenin und dem globulären Glutenin, im Verhältnis 1 : 1. In Verbindung mit Wasser bildet Gluten als Klebereiweiß das Teiggerüst von Brot, Gebäck, Nudeln etc. Gluten ist dehnbar und sorgt im Weizenteig für das Zurückhalten des Gärgases Kohlendioxid. Somit kann das Gebäck aufgehen und behält auch nach dem Backen seine Form. Glutenähnliche Proteine kommen auch in anderen Getreidearten vor, z. B. Secalin (Roggen), Avenin (Hafer), Hordein (Gerste), Zein (Mais) Oryzin (Reis) oder Kafyrin (Hirse). Inzwischen gilt es als gesichert, dass Gluten Dysfunktionen und Erkrankungen verursachen kann, die im Zusammenhang mit einer erhöhten Darmdurchlässigkeit stehen. Diese führen zu chronischen Entzündungen und vor allem Autoimmun-Erkrankungen 1,2. Eine permanent gesteigerte Darmpermeabilität führt zu einer stetigen Zunahme von Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten – messbar mit IgG-Antikörpern gegen diese Nahrungsmittel 2.
Die Forschungen von Alessio Fasano und Kollegen zeigten, dass es bereits wenige Minuten nach der Behandlung von Epithelzellen des Darmes (Caco-2) mit Gliadin zum Transport von Zonulin in Richtung Zellmembran kam, wo es seine Wirkung auf die Tight junctions entfaltete. Das Team von Fasano konnte zudem zeigen, dass es auch zur vermehrten Zonulin-Produktion und zu Erhöhung der parazellulären Permeabilität kam, wenn Dünndarm-Proben (ex vivo, außerhalb des Körpers) pathogenen Bakterien ausgesetzt waren 3. Intestinale Bakterien und unvollständig verdaute Anteile der Nahrung gelangen demnach aus dem intestinalen Lumen in die Blutbahn. Dadurch wird das Immunsystem aktiviert 4, was mit der vermehrten Produktion spezifischer IgG-Antikörper gegen Nahrungsbestandteile einhergehen kann, sowie der Entwicklung von IgG-vermittelten und verzögert auftretenden Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten. Eine erhöhte inflammatorische Belastung ist die Konsequenz dieser Vorgänge, die durch den wiederholten bzw. bevorzugten Konsum unverträglicher Lebensmittel chronisch bestehen bleiben kann.
Im Rahmen der Ernährungsumstellung nach ProImmun M werden Kartoffeln und Getreide reduziert, zu Gunsten von hochwertigen Eiweißlieferanten und essentiellen Fettsäuren. Alle nicht positiv getesteten Fisch-, Fleisch- und Milchprodukte, Hülsenfrüchte und Nüsse werden in abwechslungsreicher Form in der Ernährung integriert. Glutenfreie, biologische Getreideprodukte aus alternativen Getreide- oder Pseudogetreidesorten (Reis, Mais, Hirse, Amaranth, Quinoa, Buchweizen und Teff) sind den herkömmlichen glutenhaltigen Getreidesorten vorzuziehen, sofern eine IgG-Reaktion gegen Gluten vorliegt.
Viele Patienten mit Reizdarmsyndrom haben die Wahrnehmung, dass ihre Symptome durch weizenhaltige Lebensmittel ausgelöst werden. In einer ↗︎ kürzlich erschienenen Studie 5 wurde erneut nachgewiesen, dass der Verzicht auf Gluten die Symptome bei Reizdarm-Patienten bessert, sofern eine IgG-vermittelte Reaktion auf das Weizenprotein Gliadin (aus Gluten) vorhanden war.
Die Wissenschaftler untersuchten 3 Gruppen von Probanden. Die erste Gruppe bestand aus 24 Reizdarm-Patienten, bei denen Anti-Gliadin IgG- und IgA-Antikörper im Blut nachgewiesen wurden. Die Gruppe 2 bestand aus 21 Reizdarm-Patienten, deren Blut keine Anti-Gliadin IgG- und IgA-Antikörper enthielt. Zusätzlich wurde noch eine dritte Kontrollgruppe aus 23 gesunden Probanden eingeschlossen. Bei allen Studienteilnehmern wurde vor und nach einer 4-wöchigen Ernährung ohne Gluten der gastrointestinale Transit untersucht, sowie Darmsymptome, Angstzustände, Depressionen, Ernährungsgewohnheiten und die Zusammensetzung der Mikrobiota. Dabei wurde von einer Ernährungsberaterin auch die Therapietreue erfasst, mit Untersuchung von Glutenpeptiden im Stuhl.
Zu Beginn der Studie gab es keine symptomatischen Unterschiede zwischen den Patienten. Nach der Umstellung auf eine glutenfreie Ernährung berichteten Patienten mit Antigliadin-IgG und IgA von weniger Durchfallproblemen im Vergleich zu den Patienten ohne diese Antikörper. Bezogen auf den Ausgangswert vor der Ernährungsumstellung verbesserten sich die Symptome des Reizdarmsyndroms bei 18 von 24 Patienten (75 %) mit Antigliadin IgG und IgA und bei 8 von 21 Patienten (38 %) ohne diese Antikörper. Verstopfung, Durchfall und Bauchschmerzen nahmen bei Patienten mit Antigliadin-IgG und IgA ab, bei den Patienten der Gruppe 2 verringerten sich nur die Bauchschmerzen. Der gastrointestinale Transit normalisierte sich eher bei Patienten mit Antigliadin-IgG und IgA. In beiden Gruppen besserten sich die Ängste und Depressionen, das Wohlbefinden nahm zu. Die Symptome besserten sich auch dann, wenn die Patienten mit Antigliadin-IgG und IgA, den Glutenkonsum zwar reduzierten, sich aber nicht strikt an die glutenfreie Ernährung hielten. Bei den gesunden Probanden wurde durch den Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel keine Auswirkung auf die Darmfunktion festgestellt.
Demnach empfehlen die Autoren dieser Studie einen Nachweis auf IgG- und IgA-Antikörper bei Reizdarm-Patienten, um diejenigen mit einer Ernährungsumstellung (adjuvant) zu therapieren, bei denen Antigliadin-IgG und IgA festgestellt wurde.
Quellen
1. de Punder, K. & Pruimboom, L. The dietary intake of wheat and other cereal grains and their role in inflammation. Nutrients 5, 771–87 (2013).
2. Sturgeon, C. & Fasano, A. Zonulin, a regulator of epithelial and endothelial barrier functions, and its involvement in chronic inflammatory diseases. Tissue Barriers 4, (2016).
3. El Asmar, R. et al. Host-dependent zonulin secretion causes the impairment of the small intestine barrier function after bacterial exposure. Gastroenterology 123, 1607–15 (2002).
4. Karakula-Juchnowicz, H. et al. The role of IgG hypersensitivity in the pathogenesis and therapy of depressive disorders. 0, 1–9 (2014).
5. Inés Pinto-Sanchez, M. et al. Gluten-Free Diet Reduces Symptoms, Particularly Diarrhea, in Patients With Irritable Bowel Syndrome and Antigliadin IgG. (2021) doi:10.1016/j.cgh.2020.08.040.