Es wird geschätzt, dass In Deutschland etwa acht Millionen Menschen an Migräne leiden, die meist im Alter zwischen 25 und 45 Jahren auftritt und eher Frauen betrifft. Die gegenwärtigen medikamentösen Therapien werden oftmals nicht vertragen, wodurch in der klinischen Praxis ein großer Bedarf an alternativen Ansätzen für die Akut- und prophylaktische Behandlung besteht. Der Zusammenhang zwischen der Ernährung und der Kopfschmerz-Symptomatik ist seit vielen Jahren bekannt. Bis zu 50 % der Patienten geben ein oder mehrere Lebensmittel ↗︎ als Migräne-auslösenden Trigger an, wobei oftmals Schokolade, Käse, Wein, Tomaten, Nüsse, oder durch Mikroorganismen vergorene Lebensmittel (z. B. Brot, Wein, Bier etc.) nicht vertragen werden.
Es ist auch seit vielen Jahren bekannt, dass Migräne-Patienten häufig auch am Reizdarmsyndrom leiden. Beide Erkrankungen ähneln sich, was das Fehlen eindeutiger organischer Ursachen, Periodizität der Schmerzen, Triggerfaktoren und andere Komorbiditäten betrifft. Migränepatienten haben – im Vergleich zu Gesunden – eine 2-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit, an einem Reizdarmsyndrom zu erkranken. Auch vom Reizdarmsyndrom (RDS) sind überwiegend die Frauen betroffen, die allgemeine Prävalenz in Deutschland liegt bei ca. 10 – 12 %. ↗︎ Typisch für das RDS sind periodisch auftretenden Bauchschmerzen im Zusammenhang mit Diarrhoe und/oder Obstipation, ohne dass organische oder biochemische Anomalien vorliegen. Neben der Schleimhautentzündung ist die Neuroinflammation wahrscheinlich an der Entstehung des RDS über die “Darm-Hirn-Achse” beteiligt, was auch die Ähnlichkeiten beider Erkrankungen erklären könnte. Die entzündlichen Vorgänge führen zu veränderten Signalwegen. Dadurch wird das proinflammatorische Geschehen begünstigt, sowie auch die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse fehlgesteuert. Sie ist Hauptteil jenes Hormonsystems, das Reaktionen auf Stress kontrolliert und viele Prozesse im Körper reguliert, einschließlich Verdauung, Immunsystem, Stimmung, Gefühle und Sexualität. Dazu gehören auch Funktionen, die über Serotonin vermittelt werden. Dies würde auch erklären, weshalb ↗︎ RDS-Patienten häufiger an Depressionen leiden.
In früheren Newslettern haben wir über die positiven Wirkungen einer IgG-basierten Eliminationsdiät bei Patienten mit Migräne oder Reizdarm berichtet. Wie verhält es sich aber bei Patienten, die sowohl an Reizdarm als auch an Migräne leiden? Bereits vor 10 Jahren konnte in einer klinischen Studie mit 21 Reizdarm-Patienten, die auch an Migräne litten, gezeigt werden, dass der Ausschluss IgG-positiv getesteter Lebensmittel zur ↗︎ Besserung aller Symptome führte. Eine wesentliche Verringerung der Reizdarmbeschwerden (schmerzhafte Blähungen) und Migräneanfälle (Anzahl, Stärke, Dauer, Medikation) wurde festgestellt. Die Patienten berichteten auch von einer wesentlichen Verbesserung ihrer allgemeinen Lebensqualität.
In einer ↗︎ neu veröffentlichten Studie aus China wurde nun der gleichen Fragestellung nachgegangen. Zusätzlich zur IgG-basierten Ernährung wurde aber ein Teil der 60 Patienten mit Präbiotika versorgt und die Serotoninspiegel wurden im Verlauf der geänderten Ernährung untersucht.
Zunächst wurden bei allen 60 Patienten die IgG-Reaktionen auf 266 Lebensmittel untersucht. Alle Patienten litten an Reizdarm und Migräne. Dann wurden die Patienten in drei Gruppen eingeteilt. Die Teilnehmer der ersten Gruppe befolgten eine IgG-basierte Ernährung, während die zweite Gruppe nur Probiotika erhielt. Die Patienten der 3. Gruppe ernährten sich gemäß ihres IgG-Tests und nahmen zusätzlich Probiotika ein.
Im Verlauf der folgenden 14 Wochen wurden Migräne- und Darmsymptomatik sowie die Medikamenteneinnahme aufgezeichnet. Die Serotoninspiegel wurden zu Beginn der Studie, nach 7 Wochen und nach 14 Wochen gemessen. Es verbesserte sich sowohl die Migränesymptomatik (Anzahl der Migränetage pro 7 Wochen und MIDAS score), sowie auch die Reizdarmbeschwerden (abdominelle Blähung und Stuhlgewohnheiten). Durch die zusätzliche Gabe von Probiotika stellte sich die Besserung der Migräne-Symptomatik schneller ein. Mit der Ernährungsumstellung alleine wurde erst nach 14 Wochen diejenige Besserung erzielt, die durch zusätzliche Gabe von Probiotika bereits nach 7 Wochen auftrat. Bei der Gruppe, die nur Probiotika nahm, stellte sich keine Besserung ein. Generell nahmen die Migräne-Patienten sehr viel weniger rezeptfreie Medikamente ein, die Triptan-Dosis wurde jedoch kaum reduziert (möglicherweise bedingt durch Triptan-Abhängigkeit). Die Linderung der Reizdarm-Symptomatik war nicht so ausgeprägt; die besten Ergebnisse wurden erneut durch eine Kombination der Ernährung nach IgG-Test und Einnahme von Probiotika erzielt. Probiotika alleine erbrachten auch hier keine positiven Ergebnisse im zeitlichen Verlauf. Bei Patienten die sich gemäß ihres IgG-Ernährungsplans ernährten und zusätzlich Probiotika nahmen, stieg der Serotoninspiegel im Verlauf der Therapie an. Daher befürworten die Autoren die Ernährungsumstellung gemäß individueller IgG-Testung in Kombination mit Probiotika bei dieser Erkrankung.