Bei einem Migräneanfall setzen plötzlich heftige Schmerzen ein, oft nur auf einer Kopfseite. Sie sind deutlich stärker als gewöhnliche Kopfschmerzen und meist von weiteren Beschwerden begleitet. Migräne-Patienten haben eine sehr hohe Krankheitslast, der Alltag ist erheblich eingeschränkt. Manche haben nur gelegentlich einen Migräneanfall, andere sind jeden Monat für mehrere Tage außer Gefecht gesetzt. Die genauen Ursachen von Migräne sind nicht bekannt. Entzündliche Vorgänge an den Blutgefäßen im Gehirn spielen bei der Pathogenese jedoch eine Rolle. Möglicherweise ist auch die Verarbeitung von Schmerzsignalen im Gehirn ein weiterer Aspekt, der zu Migräneanfällen beiträgt. Stress spielt bei Schmerzen oft eine wichtige Rolle. Sich nervös und angespannt zu fühlen, kann Schmerzen verstärken oder dazu beitragen, dass sie überhaupt auftreten. Sehr hektische Tage ohne ausreichende Pausen können Kopfschmerzen begünstigen. Manchmal setzt aber auch dann die Migräne ein, wenn der Stress nachlässt, zum Beispiel am Wochenende oder zum Beginn des Urlaubs.
Oftmals leiden Migränepatienten unter einer Vielzahl von Begleiterkrankungen, darunter Magen-Darm-Erkrankungen, neuropsychiatrische Störungen (z. B. Angstzustände, Depressionen, Selbstmordgedanken) usw. Diese Symptome können sich sehr negativ auf die Lebensqualität der Patienten auswirken. Bei einer groß angelegten Studie mit Patienten aus 17 Ländern fand man heraus, dass die Prävalenz der Migräne über einen Zeitraum von 12 Monaten bei 18,5 % lag. Migräneanfälle können mit einer Vielzahl von Faktoren in Verbindung gebracht werden, einschließlich der Ernährung. Allergien, die durch lebensmittelspezifische IgG-Antikörper vermittelt sind, können chronische aseptische Entzündungen in vielen Systemen des Körpers verursachen. Die Beziehung zwischen Hypersensitivitäten auf Nahrungsmittel, die durch spezifische IgG-Reaktionen vom Typ III vermittelt werden, haben zunehmend an Bedeutung gewonnen. Der Verzehr allergen wirksamer Lebensmittel führt zur Bildung spezifische IgG-Antikörper, die vom Immunsystem produziert werden. Diese bilden mit den Lebensmittelantigenen einen Immunkomplex, was weitreichende multisystemische Entzündungsreaktionen auslösen kann. Einige Wissenschaftler haben vorgeschlagen, dass derartige IgG-Reaktionen als eine Art Biomarker betrachtet werden können, die zur Identifizierung von Lebensmitteln beitragen, die eine verstärkte Entzündungsreaktion auslösen. Man nimmt an, dass derartige Entzündungen eine entscheidende Rolle bei der Pathologie der Migräne spielen könnten. Proinflammatorische Zytokine, Interleukin-6 (IL-6) und Tumor-Nekrose-Faktor-α (TNF-α), werden als Auslöser von viszeralen Schmerzen angesehen. Auch Migränepatienten haben höhere Serumspiegel von IL-6 und TNF-α. Obwohl die Verbindung zwischen Migräne und entzündlichen Zytokinen beschrieben wurde, gab es bisher es keine Studien, die den Zusammenhang zwischen entzündlichen Zytokinen und lebensmittelspezifischen IgG-Antikörpern bei Migränepatienten quantitativ bewerten.
In einer ↗︎ kürzlich erschienenen Studie wurden die Auswirkungen von lebensmittelspezifischen IgG-Antikörpern auf Kopfschmerzen, gastrointestinale Symptome, Angstzustände, Depressionen, Schlafstörungen, Dermatosen und proinflammatorische Zytokine im Serum (IL-6, IL-10 und TNF-α) untersucht. Dabei wurde auch der quantitative Zusammenhang zwischen der Konzentration und der Art der positiven lebensmittelspezifischer IgG-Antikörper im Serum erfasst.
Bei 89 Migränepatienten wurden spezifische IgG-Antikörper auf 14 Lebensmittel untersucht. Diejenigen Patienten, die einen höheren Titer an IgG-Antikörpern aufwiesen (≥50 U/mL), wurden in die Gruppe der „IgG-positiven“ Patienten eingeteilt. Diese Gruppe, bestehend aus 67 Patienten, wurde weiterhin in Untergruppen aufgeteilt, je nach der Anzahl der IgG-reaktiven Nahrungsmittel. Alle anderen Migränepatienten wurden einer „IgG-negativen“ Gruppe zugeordnet. Die Autoren der Studie haben dann die Ergebnisse beider Gruppen verglichen bezüglich der Häufigkeit und dem Schweregrad der Migräne, Auftreten von Angstzuständen, Depressionen, Schlafstörungen und Dermatosen. Auch die Konzentration entzündlicher Zytokine wurde zwischen den Gruppen verglichen.
Bei den 67 Teilnehmern der „IgG-positiven“ Gruppe waren schwerere Migräneverläufe und häufigere Anfälle wahrscheinlicher. Diese Patienten hatten auch ein höheres Risiko für die Entwicklung von Angstzuständen und gastrointestinalen Symptome. Ebenso waren auch die Werte von IL-6 und TNF-α höher. Untergruppen mit mehr IgG-Nahrungsmittelallergenen befanden sich im Allgemeinen auch in einem schlechteren gesundheitlichen Zustand. Weiterhin hat man mit statistischen Methoden den Einfluss beider proinflammatorischer Zytokine bewertet und kam zu dem Ergebnis, dass sie den ursächlichen Zusammenhang zwischen lebensmittelspezifischen IgG-Antikörpern, Migräne und Komorbiditäten vermitteln. Die Erkenntnisse dieser Studie sind wichtig, um ernährungstherapeutische Aspekte bei der Prävention und Behandlung der Migräne besser zu berücksichtigen.
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