Eine ständig wachsende Anzahl von Studien zeigt die Beteiligung des Mikrobioms des Darmes bei Übergewicht, Verdauungsproblemen, endokrinen, entzündlichen und Autoimmunerkrankungen einschließlich Multipler Sklerose (MS). In einer kürzlich veröffentlichten Studie hat man die Konzentrationen verschiedener Bakterienarten des Darmes bei MS-Patienten und gesunden Kontrollen verglichen und deren Veränderung während einer ketogenen Ernährung untersucht. Ketogene Diäten sind zunehmend Gegenstand klinischer Projekte, zumal sie die Gehirnfunktion, Entzündungen, Immunität und das Mikrobiom des Darmes beeinflussen. Anders als beim Fasten oder sehr einseitigen Diäten kann eine ketogene Ernährungsweise über Monate praktiziert werden und wird im Allgemeinen sehr gut vertragen. Die Einhaltung der ketogenen Ernährung kann durch Messung von Ketonkörpern in Blut und Urin zuverlässig nachvollzogen werden. Wissenschaftler der medizinischen Fakultät der Charité und des Max Delbrück-Zentrums für molekulare Medizin in Berlin verglichen die Zusammensetzung der Darmflora bei 25 MS-Patienten und 14 gesunden Probanden. Zehn der MS-Patienten erhielten danach eine ketogene Diät für 6 Monate. Änderungen der Konzentrationen von 35 Bakteriengruppen wurden zu Beginn der Ernährungsumstellung und nach 2, 12 und 24 Wochen untersucht.
Die Ergebnisse zeigten, dass es keine „MS-typische“ Zusammensetzung der Bakteriengruppen gibt. Die Gesamtkonzentrationen und die Vielfalt der essentiellen Bakteriengruppen waren jedoch bei den MS-Patienten reduziert. Von der zahlenmäßigen Abnahme war die Bakterienart Faecalibacterium prausnitzii am meisten betroffen, genauso wie die Gattungen Roseburia und Bacteroides. Dabei gab es aber auch noch individuelle und patientenspezifische Änderungen. Die Effekte der ketogenen Diät bei MS-Patienten waren zweiphasig. Kurzfristig wurden die Bakterienkonzentrationen und deren Vielfalt weiter reduziert. Zwei Wochen nach Beginn der Diät kam es zu einer dramatischen Reduktion der Bakterienzahlen, vergleichbar mit den Effekten von Antibiotika. Gleichzeitig wurde ein weiterer Rückgang der mikrobiellen Vielfalt festgestellt, von durchschnittlich 48 auf 35 Prozent. Nach zwölfwöchiger ketogener Diät kam es jedoch zu einem zahlenmäßigen Anstieg und die Vielfalt der Bakterienarten nahm auch zu. Nach 24-wöchiger Diät waren die Werte bei weitem besser als zu Beginn der ketogenen Diät. Daraus schlussfolgern die Autoren, dass die Dickdarmflora bei MS Patienten deutlich beeinträchtigt ist und durch eine sechsmonatige ketogene Diät normalisiert werden kann. Dabei sollten die Veränderungen im Darm-Mikrobiom durch regelmäßige Untersuchungen über einen längeren Zeitraum hin erfolgen.