Vitamin A ist ein allgemeiner Begriff, der verschiedene fettlösliche Verbindungen umfasst, die im Körper ähnlich wirken. Dazu gehören z. B. Retinol, Retinal, Retinsäure, Retinoide und deren Metaboliten. Sie sind essentiell für das Sehvermögen, zelluläres Wachstum und Differenzierung (z. B. Immunzellen), die epitheliale Barrierefunktion der Schleimhäute und die Embryonalentwicklung. Auch das Provitamin Beta-Carotin gehört dazu, welches als Vorstufe im Körper in aktives Vitamin A umgewandelt wird.
Weltweit ist der Vitamin-A-Mangel ein erhebliches Problem der öffentlichen Gesundheit. In Ländern mit hoher Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren gilt die Vitamin-A-Supplementierung als eine der wichtigsten Maßnahmen, um die Morbiditäts- und Mortalitätsrate aufgrund vermeidbarer Krankheiten deutlich zu senken. Sie gilt als eine der kosteneffektivsten Interventionen zur Verbesserung der Überlebensrate von Kindern. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass jährlich 3 Millionen Kinder einen klinischen Vitamin-A-Mangel entwickeln. Vitamin-A-Supplementierung wird zur Behandlung von Masern, Xerophthalmie (Austrocknung von Kornea und Konjunktiva), schwerer Unterernährung und zur Vorbeugung von Mangelerscheinungen bei schwangeren Frauen eingesetzt, die in Gebieten mit Vitamin-A-Mangel leben. Die Behandlung der Xerophthalmie ist von besonderem Interesse, da sie eine der wenigen Krankheiten ist, die auf Vitaminmangel zurückzuführen ist und in manchen unterentwickelten Ländern epidemische Ausmaße erreicht. Eine ausreichende Vitamin-A-Supplementierung des Auges kann auch Nachtblindheit verhindern.
Ein erhöhter Bedarf besteht bei Kindern mit rezidivierenden Infekten, Neugeborenen, sowie in Schwangerschaft, Stillzeit und Wachstum. Bei Fieber, Stress, Operationen, Malabsorption, Maldigestion, chronischem Alkohol- oder Nikotinabusus und chronischen Infekten. Veganer sollten stets auf ihren Vitamin-A-Spiegel achten. Vitamin A wird über die Nahrung in zwei Formen aufgenommen. Retinol und Retinylester werdem aus tierischen Quellen wie Fleisch, Milchprodukten und Fisch aufgenommen. Provitamin A (Beta-Carotin) wird aus buntem Obst und Gemüse aufgenommen. Beide Formen von Vitamin A müssen nach der Absorption in Retinal und Retinsäure umgewandelt werden, um biologische Prozesse zu unterstützen. Insbesondere Leber und Seefisch sind reich an Vitamin A. Aber auch Eier, Milch und Milchprodukte enthalten Vitamin A. Beta-Carotin (die Vorstufe von Vitamin A) befindet sich speziell in grünen, gelben und roten Gemüse- und Obstsorten wie Karotten, Spinat, Brokkoli, Paprika, Kirschen oder Grapefruit. Die Vitamin-A-Supplementierung kann oral oder intramuskulär verabreicht werden. Die Absorption von oralem Vitamin A wird durch eine fetthaltige Mahlzeit aufgrund seiner fettlöslichen Beschaffenheit verbessert.
Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an Vitamin A (die Angaben beziehen sich auf den Gehalt an Vitamin A pro 100 g Lebensmittel).
Leber (Kalb) 23,9 mg
Grünkohl 1,5 mg
Karotte 2,2 mg
Leberwurst, grob 8,3 mg
Petersilie 5,9 mg
Getrocknete Aprikosen 1,2 mg
Wirsing 4,7 mg
Dill 4,5 mg
Palmöl 4,3 mg
Feldsalat 0,7 mg
Paprika rot 0,5 mg
Chicorée 0,6 mg
Spinat 1,6 mg
Hühnereigelb (trocken) 1,1 mg
Aal, geräuchert 0,9 mg
Ein Überschuss an natürlichem oder synthetischem Vitamin A kann zu einem breiten Spektrum an unerwünschten Wirkungen führen. Akute Vitamin-A-Toxizität kann bei einer einmaligen Einnahme von 25.000 IE/kg oder mehr auftreten. Zu den Anzeichen und Symptomen gehören Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schwindel, Lethargie, Schläfrigkeit, erhöhter Hirndruck und Hautveränderungen wie Erytheme, Pruritus oder Schuppung. Vitamin-A-Toxizität, auch bekannt als Hypervitaminose A, wird häufiger mit dem Missbrauch von Vitamin-A-Präparaten in Verbindung gebracht. Die Menge an Vitamin A, die erforderlich ist, um bei einzelnen Personen Toxizität zu verursachen, variiert je nach Alter und Leberfunktion.
Die Funktionen von Vitamin A:
- Vitamin A ist am Sehvorgang beteiligt und besonders für das Sehen in der Nacht wichtig. Retinal ist Teil des Sehpurpurs (Rhodopsin) in der Netzhaut. Dieses ist in den Sehzellen (Stäbchen) vorhanden, die für die Unterscheidung zwischen Hell und Dunkel zuständig sind. Somit wird durch Vitamin A die Umwandlung von Lichtreizen in neuronale Reize vermittelt.
- Zahlreiche Vorgänge im Immunsystem werden durch Vitamin A reguliert. Es vermittelt den Schutz von Haut und Schleimhäuten als erste Abwehrbarriere für Bakterien, Viren und Parasiten. Die Funktion von Neutrophilen, Makrophagen und natürlichen Killerzellen wird durch Vitamin A reguliert. Auch die adaptive Immunität benötigt Vitamin A, zur Entwicklung von T-Helferzellen und B-Zellen, Produktion von Antikörpern und Regulation der Th1/TH 2-Immunantwort. Die normale Immunfunktion wird durch Vitamin-A-Mangel unterdrückt, sowie auch durch Infektionskrankheiten, die die Retinolkonzentration im Serum vorübergehend beeinträchtigen. Insbesondere Vitamin-A-Mangel ist als Risikofaktor für das Masernvirus bekannt, einer Hauptursache für Morbidität und Mortalität im Kindesalter in Entwicklungsländern. Megadosen (200.000 IU für zwei Tage) an Vitamin A senken nachweislich die Gesamthäufigkeit von Todesfällen im Zusammenhang mit Masern.
- Vitamin A wirkt bei der Fortpflanzung mit, indem es bei der Produktion von Testosteron eine Rolle spielt, bei der Entwicklung von Samenzellen, Plazenta und der Reifung des Fötus. Generell ist Vitamin A auch für die gesunde Entwicklung im Kindesalter notwendig, insbesondere der Augen, Geschlechtszellen, Lymphgefäße, Haut, Haare, Zähne, Knochen und Schleimhäute.
- Vitamin A ist beteiligt an der Proliferation und Differenzierung von Schleimhäuten (zum Beispiel Mund, Lunge, Darm, Uterus), Haut und Knochengewebe. Der Aufbau und die Regeneration der Haut werden von Retinol unterstützt, welches in der Haut zu Vitamin-A-Säure (Retinsäure) umgewandelt wird. Sie trägt zum Erhalt der Elastizität der Haut bei, daher ist Retinol oftmals als Inhaltsstoff von Hautcremes und –seren vorzufinden.
- Im Hormonstoffwechsel wird Vitamin A benötigt zur Bildung von Schilddrüsenhormonen und Steroidhormonen (zum Beispiel Testosteron).
- Weitere Funktionen von Vitamin A bestehen im Eisentransport (Mobilisation, Inkorporation), der Erythrozytenproduktion, bei der Entgiftung in der Leber, der Synthese des Myelins von Nervenzellen im ZNS, beim Hören und Riechen, in der Protein-, Fett- und Glykoproteinsynthese. Nicht nur in den Augen schädigt Vitamin-A Mangel die Epithelien, sondern auch im Verdauungstrakt und dem Urogenitaltrakt.
- Antioxidative Schutzfunktionen werden auch über Vitamin A vermittelt. Beta-Carotin, die Vorstufe von Vitamin A, hilft gegen freie Radikale, die Zellen und das Erbmaterial DNA schädigen können. Beta-Carotin hat eine antioxidative Wirkung, kann also dabei helfen, die freien Radikale zu „entschärfen“.
- Man geht heute auch davon aus, dass ein Mangel an Vitamin A eine Rolle bei der Transformation gesunder Zellen in Krebszellen spielt, zumal Vitamin A Enzyme und Proteine beeinflusst, die bei der Bildung von Tumoren eine Rolle spielen. Bisherige Studien haben keine ausreichenden Daten ergeben, um eine starke Korrelation zwischen Vitamin A und Krebsprävention in allen Populationen zu belegen. Eine Supplementierung in gut versorgten Bevölkerungen hat keinen zusätzlichen Nutzen für die Krebsprävention ergeben. Eine Supplementierung in Bevölkerungen mit Vitamin-A-Mangel, wie z. B. unterernährten oder tabakabhängigen Gruppen, kann jedoch die Krebsinzidenz verringern.
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