Vitamin B12 ist das größte und komplexeste Vitamin im menschlichen Körper und besteht aus einer Ringstruktur, die dem Hämoglobin des Blutes und dem grünen Blattfarbstoff der Pflanzen (Chlorophyll) ähnelt. Dabei versteht man unter Vitamin B12 nicht nur eine einzige chemische Substanz, sondern 6 Verbindungen mit der gleichen biologischen Wirkung (Cyanocobalamin, Hydroxocobalamin, Aquacobalamin, Nitritocobalamin, Methylcobalamin und Adenosylcobalamin). Normalerweise wird dieses Vitamin über die Nahrung aufgenommen. Es ist an Protein gebunden und benötigt die Magensäure und das Verdauungsenzym Pepsin, um in seine freie Form zu gelangen. Danach kann sich das Vitamin B12 mit dem im Magen produzierten intrinsischen Faktor verbinden und wird im Dünndarm resorbiert. Der Körper kann Vitamin B12 über mehrere Jahre speichern, vor allem in der Leber.
Vitamin B12 wurde erstmals vor mehr als 70 Jahren entdeckt, bei der Suche nach einer Behandlung der perniziösen Anämie, einer Form der Blutarmut die, wie sich später herausstellte, auf einem Vitamin B12-Mangel beruht. Das typische hämatologische Symptom eines Vitamin B12-Mangels ist die Anämie, meist verbunden mit Schwächegefühl, Müdigkeit bzw. Blässe. Häufig kommen auch allgemeine gastrointestinale Beschwerden hinzu: Diarrhoe, Verstopfung, Schleimhautveränderungen, Übelkeit oder Erbrechen. Vitamin B12 ist zudem im neuronalen Stoffwechsel wichtig, zur Bildung von Myelin, Neurotransmittern und Phospholipiden. Ein Mangel macht sich daher über neuropsychiatrische Symptome bemerkbar, z. B. Gedächtnisstörungen, Apathie, Depression, Verwirrtheit oder Demenz. Aber auch neurologische Erscheinungen wie Gangunsicherheit, Sensibilitätsstörungen (Kribbeln, „Ameisenlaufen“, Prickeln, Jucken) oder Lähmungserscheinungen sind typisch für Vitamin B12-Mangelerscheinungen.
Für Wachstum und Zellteilung wird Vitamin B12 benötigt, sowie auch zum Aufbau der Erbsubstanz DNS. Die Bildung der Erythrozyten durch Zellteilung/-reifung aus unreifen kernhaltigen Vorstufen im Knochenmark benötigt Vitamin B12. Verschiedene Aminosäuren werden mit Hilfe von Vitamin B12 verstoffwechselt und der Abbau von ungeradzahligen Fettsäuren benötigt dieses Vitamin ebenso. Vitamin B12 ist als Cofaktor zweier sehr wichtiger Enzymreaktionen sehr wichtig für die Zelle. Im Zellinneren wird Methylcobalamin benötigt, um Homocystein in Methionin zu überführen. Gleichzeitig wird reaktionsfähige Tetrahydrofolsäure (THF) gebildet, die für zahlreiche Stoffwechselwege benötigt wird. Wenn Methylcobalamin fehlt, kommt es zum Anstieg von Homocystein, zu Störungen des Folsäure-Stoffwechsels, der DNS-Synthese und der Hämatopoese. Die zweite wichtige enzymatische Reaktion läuft in den Mitochondrien ab. Hier wird das Adenosylcobalamin benötigt, um aus Methylmalonyl-CoA das Succinyl-CoA zu bilden, welches in den mitochondrialen Citratzyklus eingespeist wird. Bei einem Mangel an Adenosylcobalamin wird kein Succinyl-CoA mehr gebildet, das Methylmalonyl-CoA wird zur Methylmalonsäure umgewandelt, welche die neurologische bzw. psychiatrische Symptomatik verursacht.
Bereits in den 1950er Jahren begannen man, sich auf die schmerzlindernden Wirkungen der Verabreichung von Vitamin B12 zu konzentrieren, mit einigen potenziell beeindruckenden klinischen Ergebnissen ↗︎ Link 1 | ↗︎ Link 2. Leider ließ in den folgenden Jahrzehnten das Interesse an der klinischen Anwendung von Vitaminen und Mineralien zugunsten von pharmazeutischen Behandlungen nach. Mit dem Aufkommen der Opioidepidemie sind alternative und ergänzende Ansätze zur Schmerzlinderung mehr denn je erforderlich, um den Einsatz und die Abhängigkeit von Opioidmedikamenten zu verringern. Vitamin B12 wurde bisher erfolgreich zur Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzzuständen wie Kreuzschmerzen, diabetischer Neuropathie, postherpetischer Neuralgie und aphthösen Ulzera eingesetzt.
Weitere Indikationen für Vitamin B12:
- Hyperhomocysteinämie
- Mitochondriale Dysfunktion
- Nitrosativer Stress
- Altersbedingte Gedächtnisstörungen, Demenz, Alzheimer
- Depressionen
- Infektionen mit Helicobacter pylori
- Hashimoto-Thyreoiditis
- Entzündliche Hauterkrankungen, z. B. Psoriasis, Neurodermitis
- Herpes zoster
- Chronisch-atrophische Gastritis
- Morbus Crohn
- Multiple Sklerose
- Neuralgien, z. B. Trigeminusneuralgie
- Perniziöse Anämie
- Schlafstörungen
- Rekonvaleszenz
- Leistungssport
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Männliche Infertilität
- Stress und Konzentrationsschwierigkeiten.
Auch in der schulmedizinischen Forschung wird den Wirkungen von Vitamin B12 viel Aufmerksamkeit gewidmet. ↗︎ Hier finden Sie eine Übersicht aktueller und abgeschlossener klinischer Studien.
Die täglich empfohlene Zufuhr beträgt 3 µg/Tag bzw. 3,5 – 4 µg/Tag (Schwangere und Stillende). Bei älteren Patienten mit atrophischer Gastritis (verminderte Sekretion von HCl, Pepsinogen und Intrinsic-Factor) kann eine Supplementierung von > 100 µg/Tag empfohlen werden.
Diese Lebensmittel sind besonders reich an Vitamin B12
Lebensmittel / Vitamin B12-Gehalt in µg pro 100 g Lebensmittel
Leber (roh) 39 – 65
Kalbsniere 28
Austern 15
Rind 2,9 – 5,2
Makrele 9
Hering 8,5
Miesmuschel 7,6
Thunfisch 4,25
Lammkeule (roh) 3,6
Seelachs 3,5
Salami 3,3
Camembert 3,1
Emmentaler 3,1
Edamer 2,1
Hühnerei 1,9
Brie 1,7
Garnelen 1,7
Körniger Frischkäse 1
Schweineschnitzel 1
Magerquark 0,9
Kuhmilch (1,5 /3,5% Fett) 0,4
Huhn 0,4
Alkoholfreies Bier, Malzbier Spuren
Sauerkraut Spuren
In einer für den Menschen verfügbaren Form kommt Vitamin B12 fast nur in tierischen Lebensmitteln vor. Mit herkömmlichen Lebensmitteln können Veganer daher ihre Vitamin B12-Versorgung nicht sicherstellen. Sie sollten zusätzlich ein Vitamin B12-Präparat einnehmen, um einem möglichen Mangel vorzubeugen.
Quellen:
Ross AC et al. (Eds.) Modern nutrition in Health and Disease. 11th Ed. 2014, Kluyver
U. Gröber: Mikronährstoffe – Metabolic tuning – Prävention – Therapie
Alberts B, Johnson A, Lewis J, et al.: Molecular Biology of the Cell. 2017
Berg JM, Tymoczko JL, Stryer L. Stryer: Biochemie. 2018
R. Meyer: Chronisch gesund. 2009