Der menschliche Dickdarm zählt zu den Orten mit der höchsten „Einwohnerdichte“ weltweit. Auf der etwa zwei Quadratmeter großen Schleimhaut leben so viele Mikroorganismen wie Menschen auf der Erde. Der gesamte menschliche Verdauungstrakt wird von 10E13 bis 10E14 Mikroorganismen besiedelt. Dies entspricht mehr als der 10-fachen Zellzahl im menschlichen Körper. Neben den Antibiotika sind mittlerweile zahlreiche Arzneistoffe bekannt geworden, die das Wachstum der Bakterien im Darm beeinträchtigen. Wissenschaftler des Europäischen Molekularbiologischen Laboratoriums in Heidelberg (EMBL) haben kürzlich die Wirkung von über 1.000 Medikamenten auf 40 repräsentative Darmbakterienstämme getestet (in vitro, „im Reagenzglas“ d. h. die Versuche wurden außerhalb des menschlichen Körpers gemacht). Dabei konnten sie feststellen, dass 24 % der Medikamente, darunter Mitglieder aller therapeutischen Klassen, das Wachstum von mindestens einem Stamm hemmen.
Antipsychotika, Protonenpumpenhemmer und Calciumantagonisten können bestimmte Bakterien im Darm abtöten, was möglicherweise für die gastrointestinalen Nebenwirkungen dieser Wirkstoffe verantwortlich ist. Auch könnten die Bakterien durch den Einsatz der Medikamente Resistenzen entwickeln, was mit einer höheren Resistenz gegenüber den gängigen Antibiotika einhergehen würde, zumal es sich hier um die Ausbildung gleicher Resistenzmechanismen handelt.
Die Forscher halten es für sehr bemerkenswert, dass gerade die Antipsychotika, eine Gruppe von sehr unterschiedlichen Wirkstoffen, das Bakterienwachstum hemmte. Sie mutmaßen sogar, dass die Beeinflussung der Darmflora nicht eine Nebenwirkung dieser Medikamente darstellt sondern womöglich Teil der Hauptwirkung ist. Dies könnte auch für viele weitere Arzneistoffe zutreffen. Generell waren die Ergebnisse der Studie unerwartet, die Häufigkeit, mit der Nicht-Antibiotika die menschliche Darmflora verändern, war selbst für die Autoren ein völlig überraschendes Ergebnis.