Biotin (auch als Vitamin B7 oder Vitamin H bekannt) ist ein wasserlösliches Vitamin, das am Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel beteiligt ist. Es wird in Enzymreaktionen benötigt, bei denen Nahrungsenergie umgewandelt wird. Biotin wird aber auch für die Bildung der DNA und der RNA benötigt. Als Cofaktor für Carboxylase-Enzyme ist Biotin an verschiedenen Stoffwechselwegen beteiligt.
- Die Pyruvatcarboxylase ist an der Glukoneogenese beteiligt, die in den Mitochondrien abläuft. Darunter versteht man die Bildung von D-Glucose aus Vorstufen wie Pyruvat, Oxalacetat und Dihydroxyacetonphosphat. Dies ist ein universeller Stoffwechselweg bei allen Lebewesen. Dieses Enzym ist auch an der Regulierung des Blutzuckerspiegels und der Bildung von Fettgewebe beteiligt. Auch für die Reifung des Gehirns wird dieses Enzym benötigt.
- Die Propionyl-CoA-Carboxylase wird für den Stoffwechsel von Aminosäuren und Fetten benötigt.
- Die Methylcrotonyl-CoA-Carboxylase ist ein Enzym, das zum Abbau der Aminosäure Leucin benötigt wird.
- Die Acetyl-CoA Carboxylase wird zum Aufbau von Fettsäuren benötigt, als Vorläufer der Prostaglandine.
Eine wichtige Funktion erfüllt Biotin bei der Proteinsynthese und insbesondere bei der Keratinproduktion. Daher auch seine Bedeutung im Kontext eines gesunden Nagel- und Haarwachstums. Erste Hinweise auf ein Defizit sind Veränderungen der Haut, Haarausfall sowie brüchige und splitternde Fingernägel. Bei nitrosativem Stress sind oftmals marginal oder pathologisch niedrige Biotinkonzentrationen im Blut nachweisbar.
Biotin wirkt in den Mitochondrien gemeinsam mit Vitamin B12, denn beide Vitamine sind Coenzyme von zwei direkt aufeinander folgenden Enzymreaktionen. Die Biotin-abhängige Reaktion liefert dabei den Ausgangsstoff für die Vitamin B12-abhängige Reaktion. Bei einem Biotin-Mangel bleibt Vitamin B12 wirkungslos, die entsprechende Enzymreaktion kann nicht ablaufen. Es kommt zu einem funktionellen B12-Mangel, das Vitamin kann seine Coenzym-Funktion nicht erfüllen, selbst wenn es in ausreichenden Mengen vorhanden ist. Daher empfehlen Nährstoffexperten auch die Supplementierung mit Biotin im Rahmen einer Vitamin-B12-Therapie.
Mangelerscheinungen sowie Überdosierungen sind nicht bekannt, denn der Bedarf wird weitestgehend vom Körper selbst produziert. Auch eine gesunde Darmflora produziert Biotin in ausreichenden Mengen. In Nahrungsmitteln liegt Biotin überwiegend in Protein-gebundener Form vor. Leber, Sojabohnen und Eigelb gehören zu den Lebensmitteln mit hohem Biotingehalt. Auch in Hefe, Avocados und Spinat ist Biotin enthalten. Weniger Biotin findet sich man in Pilzen, Hülsenfrüchten, Nüssen und Getreide. Jugendliche (ab 15 Jahren) und Erwachsene benötigen etwa 30 – 60 µg Biotin pro Tag. Ein erhöhter Biotinbedarf besteht bei älteren Personen, Schwangeren, Stillenden, Sportlern, und bei langfristiger parenteraler Ernährung.
Typische Symptome eines Biotinmangels sind Alopezie, ekzemartige Hautausschläge, seborrhoische Dermatitis, Bindehautentzündung und vielfältige neurologische Symptome wie Depression, Lethargie, Hypotonie und Krampfanfälle. Während die neurologischen Symptome bei schwererem Biotinmangel auftreten, erscheinen die dermatologischen Manifestationen oft zuerst und sind daher ein wichtiger Indikator. Aufgrund seiner relativ niedrigen Kosten und der reichlichen Verfügbarkeit in kosmetischen Produkten, ist Biotin zum neuen Verbrauchertrend für gesündere Haare und Nägel geworden.
Biotin reagiert sehr empfindlich auf Radikalbelastungen, insofern ist eine erhöhte Zufuhr bei oxidativen Stress immer angebracht. Weitere Indikationen bestehen z. B. zur allgemeinen Prävention, bei mitochondrialen Dysfunktionen, psychischen Störungen, wiederkehrenden Candida-Vaginalmykosen, Diabetes Typ 2, zur Verbesserung der Glukosetoleranz, bei peripheren Neuropathien und atopischer Dermatitis.
Quellen
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