Lebensmittelspezifische IgG-Antikörper und Übergewicht

Die Zahl der fettleibigen Menschen steigt weltweit und mittlerweile wurden die Maßnahmen gegen Adipositas für gescheitert erklärt. Ein härteres Durchgreifen ist dringend notwendig, denn der Kampf gegen Übergewicht kommt nur langsam voran. Adipositas gilt heute als weltweite Epidemie und ist ein starker Risikofaktor für Insulinresistenz, Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM), Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Immunstörungen, nichtalkoholische Fettlebererkrankungen (NAFLD) sowie verschiedene Krebsarten. Auch die Zahl der übergewichtigen Kinder ist in den vergangenen 30 Jahren drastisch gestiegen. Kinder in den USA wiegen im Durchschnitt fünf Kilogramm mehr als ihre Altersgenossen vor dreißig Jahren, sie nehmen täglich 200 Kilokalorien mehr zu sich. Übergewicht und Fettleibigkeit bergen eine enorme Belastung der Gesundheitsausgaben für die Gesellschaft. Insgesamt wird Adipositas mit einer Beeinträchtigung der Lebensqualität, einer verkürzten Lebensspanne und erhöhten Kosten im Gesundheitswesen in Verbindung gebracht. Auch die zunehmende Alterung unserer Gesellschaft geht mit einer Pandemie der Fettleibigkeit und damit verbundenen kardiometabolischen Störungen einher. Die fortschreitende Dysfunktion des weißen Fettgewebes wird immer mehr als wichtiges Merkmal des Alterungsprozesses erkannt, das wiederum zu Stoffwechselveränderungen, Multiorganschäden und einer systemischen Entzündungsreaktion („Inflammageing“) beiträgt. Adipositas weist zahlreiche biologische Ähnlichkeiten mit dem normalen Alterungsprozess auf, wie z. B. chronische Entzündungen und Veränderungen in mehreren Organsystemen. Die Pathophysiologie der Adipositas ist die einer multifaktoriellen chronischen Erkrankung und keineswegs nur das Ergebnis eines Ungleichgewichts zwischen Kalorienaufnahme und -verbrauch. So wurden im übergewichtigen, fettleibigen Organismus eine ganze Reihe von Stoffwechselanomalien, oxidativer Stress, mitochondriale Dysfunktion, Immundysfunktion und chronische Entzündungen niedrigen Grades festgestellt. Adipositas steht ursächlich im Zusammenhang mit chronisch-inflammatorischen Reaktionen im weißen Fettgewebe, die mit der Aktivierung des Immunsystems einhergehen. Obwohl mittlerweile allgemein bekannt ist, dass das Fettgewebe auf Überernährung mit einer Immunreaktion reagiert, sind die ursprünglichen Entzündungsauslöser leider immer noch weithegend unbekannt. Daher ist auch die klinische Wirksamkeit von Medikamenten bisher enttäuschend, die auf die derzeit bekannten Entzündungswege abzielen. Die mit Adipositas einhergehende systemische chronische Entzündung wird als das gemeinsame Krankheitsprinzip verschiedener Zivilisationskrankheiten betrachtet. Der CRP-Wert, als wichtiger Entzündungsmarker, korreliert mit dem Ausmaß des Übergewichts bzw. Insulinresistenz und normalisiert sich üblicherweise wieder nach einer Gewichtsreduktion. Patienten mit niedrigem CRP hatten größeren Erfolg bei der Gewichtsreduktion als Patienten mit höheren CRP-Entzündungsparametern. Das bedeutet, dass im Organismus ablaufende Entzündungen das Abnehmen erschweren. Systemische Entzündungen können auch durch die Nahrung verursacht werden. Das Immunsystem kann Nahrungsproteine oder deren Abbauprodukte als Immunogene erkennen, worauf lebensmittelspezifische IgG-Antikörper gebildet werden, die entsprechende Immunreaktionen und daraus entstehende Entzündungsreaktionen auslösen, die als sog. „stille“ chronisch niedriggradige Inflammationen an Symptomen oder Krankheiten beteiligt sind. Dieser Zusammenhang wurde erstmals in einer Studie mit übergewichtigen Kindern (BMI 25 – 35) nachgewiesen – im Vergleich mit einer Gruppe von Kindern, deren Gewicht im Normalbereich lag. Blutproben aller Kinder wurden auf lebensmittelspezifische IgG-Antikörper und den Entzündungsmarker C-reaktives Protein (CRP) getestet. Die adipöse Gruppe hatte einen 2,5-fach höheren IgG-Antikörpertiter gegen Lebensmittel und einen dreifach erhöhten CRP-Wert im Vergleich zu den Kindern mit Normalgewicht. Der erhöhten Werte der IgG-Lebensmittelantigene waren mit einem präatherosklerotischen Schaden korreliert, der eine entzündungsbedingte Ursache für sekundären Bluthochdruck ist. Lebensmittelspezifische IgG-Antikörper wurden von den Autoren mit einer chronischen systemischen Entzündung assoziiert, wobei IgG-Antikörper gegen Lebensmittelproteine an entzündlichen Signalwegen beteiligt sind, die zu Übergewicht führen und dieses auch aufrechterhalten. Bei 140 adipösen Probanden wurden Biomarker für Entzündungen (CRP), IgG, IgA und IgM gegen Saccharomyces cerevisiae mannan (ASCA-IgG-Antikörper) sowie Serumzonulin (Darmpermeabilität) untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass nur IgG-positive Probanden höhere CRP-Werte und eine höhere Körperfettmasse aufwiesen. Auch erhöhte Zonulinspiegel waren bei Patienten mit positivem ASCA-IgG häufiger vorhanden als bei Patienten bei denen ASCA-IgG nicht nachweisbar war. In der Studie von Onmus et al. (2016) mit 82 Patienten (18 bis 65 Jahre, BMI ≥ 25) wurde der Frage nachgegangen ob eine IgG-basierte Eliminationsdiät den Gewichtsverlust bei übergewichtigen Patienten unterstützt, die durch eine konventionelle Kalorienrestriktions-Diät kein Gewicht verlieren konnten. Bei allen Patienten wurde ein IgG-basierter Lebensmitteltoleranztest durchgeführt. Die Hälfte der Patienten erhielten danach eine Eliminationsdiät die auf den festgestellten Nahrungsmittelunverträglichkeiten beruhte, während sich die andere Hälfte der Patienten an ihre konventionelle Diät hielt, in Kombination mit körperlicher Aktivität. Alle Patienten wurden von einem Ernährungsberater unterstützt. Die Ergebnisse wurden nach 6-monatiger Diät erfasst: – Durchschnittswerte von 42 Patienten nach einer 6-monatigen IgG-basierten Eliminationsdiät Gewichtsverlust – 8,5 kg; Fettverlust – 4,9 kg; BMI – 2,8; Triglyzeride – 28 mg/dl – Durchschnittswerte von 40 Patienten nach einer 6-monatigen kalorienreduzierten Diät: Gewichtsverlust – 0,8 kg; Fettverlust – 0,5 kg; BMI – 0,7; Triglyzeride – 7 mg/dl Somit wurde in dieser Studie gezeigt, dass Übergewichtige, die durch eine kalorienreduzierte Diät nicht Gewicht verlieren können, durch eine IgG-basierte Eliminationsdiät sowohl Fett als auch Gewicht verlieren. Dabei wurde auch der Triglyceridspiegel signifikant reduziert. In der Studie von Lewis et al. (2011) wurde die Auswirkung einer IgG-basierten Eliminationsdiät auf klinische Parameter untersucht bei Personen, die Gewicht verlieren wollten und/oder übergewichtig waren. Bei 120 Erwachsenen (normal- und übergewichtig) wurde ein IgG-Nahrungsmitteltoleranztest durchgeführt. Körpergewicht, Body-Mass-Index (BMI), Hüft- und Taillenumfang, Blutdruck, Puls und Lebensqualität (SF-36–Fragebogen) wurden zu Beginn der Diät erhoben, sowie auch nach 30, 60 und 90 Tagen. Die Ergebnisse zeigten im Laufe der 3 Monate eine Reduktion von Körpergewicht (ca. 5 Kg), Body-Mass-Index (- 1,8), Hüft- und Taillenumfang (- 3,5 und – 7,4) und diastolischem Blutdruck (- 5,0). Gleichzeitig verbesserten sich alle Indikatoren der Lebensqualität gemäß des SF-36 Fragebogens. Die Meidung IgG-induzierender inflammatorischer Nahrung hemmt die entzündliche Reaktion des Immunsystems und stellt das pro- und antiinflammatorische Gleichgewicht des Körpers wieder her. Symptomverbesserung durch eine individualisierte und zeitlich begrenzte Eliminationsdiät IgG-reaktiver Lebensmittel oder die Beteiligung solcher Antikörper am Krankheitsgeschehen wurde inzwischen für zahlreiche Erkankungen nachgewiesen, z. B. Reizdarm und chronischer Durchfall, Migräne und Kopfschmerzen, Autoimmunerkrankungen, Übergewicht, psychische Störungen, Asthma, allergische Hauterkrankungen, allergische Rhinitis sowie ankylosierende Spondylitis. Quellen Berrington de Gonzalez, A. et al. Body-Mass Index and Mortality among 1.46 Million White Adults. New England Journal of Medicine 363, 2211–2219 (2010). Dandona, P., Aljada, A., Chaudhuri, A., Mohanty, P. & Garg, R. Metabolic syndrome: A comprehensive perspective based on interactions between obesity, diabetes, and inflammation. Circulation 111, 1448–1454 (2005). Exley, M. A., Hand, L., O’Shea, D. & Lynch, L. Interplay between the immune system and adipose tissue in obesity. Journal of Endocrinology 223, R41–R48 (2014). Lauby-Secretan, B. et al. Body Fatness and Cancer — Viewpoint of the IARC Working Group. New England…

Multiple Sklerose und IgG-Antikörper gegen Casein

Multiple Sklerose ist eine chronische demyelinisierende Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, bei der sowohl im Gehirn als auch im Rückenmark chronische Entzündungen auftreten. Durch diese Entzündungen entstehen Nervenschäden, die Lähmungen, Müdigkeit oder auch Sehschäden verursachen können. Die Ursache dieser Krankheit ist nicht bekannt, aber man geht mittlerweile davon aus, dass das Epstein-Barr-Virus (EBV) ein möglicher Verursacher ist. Anhand der Daten von Millionen von US-Militärrekruten, die über einen Zeitraum von 20 Jahren beobachtet wurden, stellte man fest, dass eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus das Risiko, später an Multipler Sklerose zu erkranken, stark erhöht ist und der Entwicklung der Krankheit vorausgeht, was seine potenzielle Rolle bei der Pathogenese der Multiplen Sklerose untermauert. Experten schätzen allerdings, dass sich rund 95 % der europäischen Bevölkerung bis zum 30. Lebensjahr mit dem EBV infizieren und danach über ausreichend Antikörper gegen den Erreger verfügen. Daher müssen noch weitere Faktoren hinzukommen, damit die Krankheit ausbricht. So gibt es eine Vielzahl genetischer Veranlagungen, die das MS Risiko erhöhen. Dazu gehören der Vitamin D-Status, Rauchen und Übergewicht im Kindesalter. Auch die Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Die Ernährungsimmunologie befasst sich mit dem Einfluss der Ernährung auf das Immunsystem. Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass lebensmittelspezifisches IgG an der Entstehung und dem Fortschreiten bestimmter Krankheiten beteiligt ist, wie z. B. entzündliche Darmerkrankungen, Reizdarmsyndrom, Migräne und psychische Erkrankungen. In unseren Newslettern der vergangenen Jahre haben wir regelmäßig über diese Erkenntnisse berichtet. In verschiedenen Studien wurde eine hohe Prävalenz von IgG-Antikörpern gegen bestimmte Nahrungsmittelallergene bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen festgestellt. Dementsprechend können IgG-Antikörper einen Hinweis auf den Krankheitsstatus geben und als Richtschnur für Ernährungsempfehlungen für Patienten dienen. Außerdem hatten Migränepatienten mit positiven lebensmittelspezifischen IgG-Antikörpern schlechtere Migräne-, Angst- und gastrointestinale Symptome. Auch bei Patienten mit depressiven Störungen wurden signifikant höhere Serumraten an lebensmittelspezifischen IgG-Antigenen festgestellt. Die Symptome dieser und anderweitiger Krankheiten können durch lebensmittelspezifische IgG-basierte Ernährungsempfehlungen gelindert werden. Immunreaktionen gegen körpereigene Strukturen sind das Kennzeichen aller Autoimmunerkrankungen. IgG-Antikörper können mit Allergenen in Lebensmitteln einen Immunkomplex bilden und so (chronisch schleichende) Entzündungsreaktionen im Körper auslösen, die sich in verschiedenen Symptomen und Erkrankungen äußern. Solche „molekulare Mimikry“-basierte Nahrungsmittel-Immunreaktivität tritt auf, wenn ein Nahrungsmittelprotein (oder –peptid) eine Sequenz von Aminosäuren aufweist, die der Struktur des eigenen Gewebes stark ähnelt. T- und B-Zellen werden aktiviert und es kommt zur Produktion von Antikörpern, die sowohl mit den fremden Nahrungsmittelproteinen reagieren als auch mit körpereigenen Proteinen verschiedener Gewebearten. Das Hauptmerkmal der Multiplen Sklerose ist die Zerstörung der Hüllstrukturen neuronaler Axone durch das körpereigene Immunsystem. Diese Zerstörung nimmt im Krankheitsverlauf weiter zu. Bereits in den 1970er Jahren wurde der Milchkonsum als ein ätiologischer Faktor der MS vermutet. Man ging davon aus, dass ein Zusammenhang besteht zwischen hohem Milchkonsum in der Kindheit, gefolgt von einem starken oder plötzlichen Rückgang während des Wachstumsschubs in der Jugend, und dem späteren Auftreten von MS bei jungen Erwachsenen. Die MS-Raten sind erhöht in Bevölkerungsgruppen, in denen viel Kuhmilch konsumiert wird. Wie der Milchkonsum jedoch Autoimmunreaktionen auf ZNS-Antigene auslöst und zur Krankheitsentwicklung beitragen könnte, blieb bisher unklar. Dem Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG) wird eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Myelinscheide von Neuronen zugeordnet. Das Interesse für MOG liegt vor allem in seiner Rolle im Zusammenhang mit MS und anderen demyelinisierenden Erkrankungen. Diverse Studien zeigten einen Zusammenhang zwischen Antikörpern die gegen dieses Protein gerichtet sind und der Pathogenese der MS. In Tiermodellen konnte man nachweisen, dass gegen MOG gerichtete Antikörper die Fähigkeit besitzen, die Demyelinisierung auszulösen. Bereits vor 20 Jahren wurde nachgewiesen, dass bestimmte Bereiche des MOG-Proteins eine große Ähnlichkeit aufweisen mit Butyrophilin (BTN), einem Milchprotein. In Tierversuchen wurde gezeigt, dass es zu Kreuzreaktionen kommen kann zwischen bestimmten MOG-Antikörpern und dem Kuhmilchprotein BTN. Doch BTN ist nicht das einzige immunologisch relevante Protein. Kuhmilch enthält insgesamt 3,2 % Protein, das zu ca. 80 % aus Caseinen besteht. Casein ist eines der Hauptallergene der Milch. In einer neuen Studie, mit Beteiligung der Universität Bonn wurde nachgewiesen, dass eine Immunreaktion gegen Casein die demyelinisierende Pathologie der MS aufgrund der Ähnlichkeit mit dem Myelin-assoziierten Glykoprotein (MAG) verschlimmern kann. MAG ist (wie MOG) für die Interaktionen des Axons mit den Myelinbildenden Zellen verantwortlich. Der Anstoß für die Studie kam von den MS-Patienten selbst: „Wir hören immer wieder von Betroffenen, dass es ihnen schlechter geht, wenn sie Milchprodukte zu sich nehmen“, erklärte Stefanie Kürten vom Anatomischen Institut des Universitätsklinikums Bonn. So sind die Wissenschaftler den Ursachen für diesen Zusammenhang nachgegangen. Die Studie ergab, dass die B-Zellen im Blut von Menschen mit MS besonders stark auf Casein reagieren. Vermutlich haben die Betroffenen irgendwann durch den Konsum von Milch eine Immunreaktion gegen Casein entwickelt. Sobald sie frische Milchprodukte zu sich nehmen, produziert das Immunsystem massenhaft Casein-Antikörper. Die mittleren IgG-Titer gegen Casein waren bei Patienten mit MS deutlich höher als bei Patienten mit anderen neurologischen Erkrankungen. Aufgrund der Kreuzreaktivität mit MAG kommt es so bei den MS-Patienten zur demyelinisierenden Schädigung der Myelinscheide um die Nervenfasern. MS-Patienten sollten daher auf den Verzehr von Milchprodukten verzichten. Es ist möglich, dass Kuhmilch auch bei gesunden Menschen das Risiko erhöht, an MS zu erkranken. Denn Casein kann auch bei ihnen Allergien auslösen – was wahrscheinlich nicht einmal so selten ist. Sobald eine solche Immunreaktion besteht, kann es theoretisch zu einer Kreuzreaktivität kommen. Das bedeute aber nicht, dass eine Überempfindlichkeit gegen Casein zwangsläufig zur Entwicklung von Multipler Sklerose führe, betonen die Bonner Wissenschaftler. Zusammengenommen zeigen diese Ergebnisse, wie der Konsum von Milch und Milchprodukten die Autoimmunreaktion bei MS verschlimmern kann. Quellen 1. Chunder, R. et al. Antibody cross-reactivity between casein and myelin-associated glycoprotein results in central nervous system demyelination. Proc Natl Acad Sci U S A 119, (2022). 2. Milk may exacerbate MS symptoms: Cow’s milk protein triggers autoimmune response in mice that damages neurons — ScienceDaily. https://www.sciencedaily.com/releases/2022/03/220301131110.htm. 3. Milk may exacerbate MS symptoms — University of Bonn. https://www.uni-bonn.de/en/news/042-2022. 4. Rojas, M. et al. Molecular mimicry and autoimmunity. J Autoimmun 95, 100–123 (2018). 5. Jarius, S. et al. MOG-IgG in primary and secondary chronic progressive multiple sclerosis: A multicenter study of 200 patients and review of the literature. Journal of Neuroinflammation 15, (2018). 6. Ramanathan, S., Dale, R. C. & Brilot, F. Anti-MOG antibody:…

IgG-basierte Ernährung bei schweren Depressionen

Depressionen sind weit verbreitet und haben weltweit eine steigende Inzidenz. Verschiedene Faktoren scheinen das Risiko und die Neuroprogression einer depressiven Erkrankung zu erhöhen, wobei auch ein Zusammenhang mit systemischen Entzündungsreaktionen besteht. Dazu gehören: psychosozialer Stress, eine mangelhafte Ernährung, körperliche Inaktivität, Übergewicht, Rauchen, veränderte Permeabilität des Darmes, Schlaf- und Vitamin D-Mangel. Die meisten dieser Faktoren sind plastisch, und daher auch durch therapeutische und präventive Maßnahmen zu beeinflussen. Sie spielen auch bei anderen psychiatrischen Erkrankungen eine Rolle, z. B. bipolaren Störungen, Schizophrenie, Autismus und posttraumatischen Belastungsstörungen.   Depressive Episoden gehen nicht nur mit Änderungen der Neurotransmission im zentralen Nervensystem einher, sondern können auch zu strukturellen Veränderungen im Gehirn führen, durch neuroendokrine, entzündliche und immunologische Mechanismen. In den vergangenen Jahren haben sich die Hinweise gemehrt, dass bei depressiven Patienten die Ernährung einen Einfluss auf das Leaky Gut-Syndrom hat, auf die Immunfunktion und systemische Entzündungsprozesse. Eine Metaanalyse hat deutlich gemacht, dass eine gesunde Ernährungsweise mit mehr Gemüse, Obst und Vollkornprodukten mit einem um 30 % verringerten Depressionsrisiko verbunden ist, während der erhöhte Verzehr von verarbeiteten Lebensmitteln mit einem höheren Depressionsrisiko verbunden ist. Die Gliadin-vermittelte Überproduktion von Zonulin verursacht eine Lockerung der Tight Junction-Verbindungen im Darmepithel, was mit einer erhöhten Durchlässigkeit der Darmwand („Leaky Gut“) einhergeht. Dies ermöglicht größeren Molekülen, die normalerweise im Darm zurückgehalten werden, in den Blutstrom zu gelangen und IgG-vermittelte Nahrungsmittelunverträglichkeiten zu induzieren. Es kommt dadurch zu einer erhöhten Immunantwort, die mit der Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen verbunden ist, welche wiederum zur Progression depressiver Symptome führen können. Weitere Mechanismen wurden vorgeschlagen, um eine mögliche Rolle von Nahrungsmittelunverträglichkeiten für die psychische Gesundheit zu erklären. Verschiedene Neurotransmitter und Neuropeptide vermitteln die Signalübertragung zwischen der Darm-Hirn-Achse als Verbindung zwischen dem Nerven- und dem Verdauungssystem, wobei 90 % des körpereigenen Serotonins im Darm gebildet werden. Es wird angenommen, dass das Darmmikrobiom eine bedeutende Rolle spielt bei der Beeinflussung von Stimmung, Verhalten und Entzündungen.   Bei depressiven Patienten ist es daher ratsam, spezifische IgG-Titer für ausgewählte Nahrungsmittel zu bestimmen. Gleichzeitig sollte auch die intestinale Permeabilität beurteilt werden, z. B. über den Marker Zonulin. Im Falle erhöhter IgG-Konzentrationen, ist die Durchführung einer Eliminations- und Rotationsdiät eine wirksame Methode zur Verringerung der Entzündung. Somit sollte die Umsetzung einer entsprechenden Ernährungsumstellung, Verwendung geeigneter Probiotika und antiinflammatorischer Naturstoffe zu einem wesentlichen adjuvanten Bestandteil der erfolgreichen Behandlung von Depressionen werden. Die Reduktion des IgG-Titers im Serum der Patienten, die im Rahmen der Eliminationsdiät stattfindet, könnte mitunter auch als ein Hinweis auf die funktionale Wiederherstellung der Tight Junctions bzw. der intestinalen Integrität betrachtet werden.   Dieses neue Paradigma zur Pathogenese depressiver Störungen welches Leaky Gut, IgG-abhängige Nahrungsmittelhypersensitivität und systemische Entzündungsprozesse miteinander verbindet, scheint sehr viel versprechend. In einer publizierten Fallstudie (bitte verlinken mit https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31600757/) wird von einer 34-jährige Patientin mit schwerer depressiver Erkrankung berichtet, deren Symptome sich mit einer IgG-basierten Ernährung verbesserten. Die Wiedereinführung unverträglicher Lebensmittel bei verschiedenen Gelegenheiten war mit einer Verschlechterung der Stimmungslage verbunden.   Eine 34-jährige Sozialarbeiterin stellte sich mit schweren Depressionen, generalisierter Angststörung, Übergewicht (BMI 29) Verstopfung und Akne vor. Sie wurde bereits früher mit Psychopharmaka behandelt, die sie jedoch schon vor 5 Jahren aufgrund unerwünschter Nebenwirkungen abgesetzt hatte. Sie interessierte sich für nicht-pharmakologische Interventionen, einschließlich ernährungsmedizinischer Ansätze. Die Patientin erfüllte die medizinischen Kriterien einer schweren Depression mit Phasen niedriger Stimmung und Gleichgültigkeit, Schlafstörungen, gesteigertem Appetit, Verlust der Lebensfreude und Müdigkeit. Sie hatte bereits einen langen Leidensweg hinter sich. Die Depressionen begann im Alter von 12 Jahren und wurden bis zum Alter von 20 Jahren nicht behandelt. Ihr wurde Venlafaxin verschrieben, was sie jedoch nicht als hilfreich empfand. Außerdem traten bei höheren Dosen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Erbrechen auf. Sie wurde auch psychotherapeutisch behandelt und nutzte ein App-basiertes kognitives Verhaltensprogramm, das sie als mäßig hilfreich empfand. Ihr üblicher Ernährungsplan sah so aus: kein Frühstück, Hamburger und Pommes frites als Mittagessen und Pizza aus dem Supermarkt als Abendessen. Dazwischen gab es Snacks, Donuts, Cookies, Popcorn oder Chips. Sie verzehrte häufig Fertiggerichte aus dem Supermarkt und hatte keinerlei körperliche Bewegung.   Eine hypoallergene Ernährung wurde verordnet und bereits bei der ersten Nachuntersuchung zwei Wochen später gab die Patientin eine verbesserte Stimmung an, weniger Weinanfälle und ein gesteigertes Interesse an Aktivitäten. Außerdem berichtete sie von mehr Energie, geistiger Klarheit und häufigerem Stuhlgang. Die Akneläsionen bildeten sich zurück und sie nahm 5 kg ab. Bei einer weiteren Nachuntersuchung nach drei Wochen stellte die Patientin fest, dass die Wiedereinführung von Milchprodukten zu einem raschen Einsetzen (innerhalb eines Tages) der Stimmungsschwankungen führte, einschließlich Traurigkeit und vermehrtem Weinen. Die Wiedereinführung von Gluten und Milchprodukten brachte sie mit Kopfschmerzen, Blähungen, Völlegefühl und Bauchbeschwerden in Verbindung. Sie führte die Stimmungsschwankungen nicht auf andere gleichzeitige Veränderungen in ihrem Lebensstil oder Ereignisse in ihrem Leben zurück.   Im Anschluss an die Eliminationsdiät wurden zusätzliche Therapien verordnet, darunter die Einnahme von Fischöl (1.300 mg Eicosapentaensäure, 200 mg Docosahexaensäure, 6,7 mg Vitamin E pro Tag), intramuskuläre Vitamin B12-Injektionen (1.000 µg) und Sport. Sie berichtete, dass diese Empfehlungen unabhängig von der Ernährung zu einer Stimmungsverbesserung führten. In den folgenden zwei Jahren kam die Patientin etwa alle drei Wochen in die Praxis. Es fiel ihr schwer, die Ernährungsumstellung beizubehalten, und sie kehrte 5 Mal zu ihren früheren Ernährungsgewohnheiten zurück, bevor sie die Eliminationsdiät wieder aufnahm. Jedes Mal, wenn sie die Eliminationsdiät wieder aufnahm und dabei Lebensmittel vermied, die sie als reaktiv eingestuft waren, stellte sie eine Verbesserung ihrer Stimmung und ihrer Verstopfung fest. Die Rückkehr zu ihrer vorherigen Diät führte zu einer Verschlechterung ihrer Stimmung und Verstopfung sowie zu Kopfschmerzen. Im IgG-Test wurde eine sehr hohe Reaktivität für Weizen, Casein und Hefe festgestellt. Diese Ergebnisse waren für die Patientin ein Ansporn, die Ernährungsumstellung konsequent einzuhalten, und Eigenverantwortung bei der Bewältigung ihrer Symptome zu übernehmen. Dies ist ein weiteres Beispiel, welches im IgG-Test das Empfinden so zahlreicher Patienten bestätigt, die Krankheitssymptome mit dem Konsum unverträglicher Nahrungsmittel in Verbindung bringen.   Quellen: Alam R, Abdolmaleky HM, Zhou JR. Micro-biome, inflammation, epigenetic alterations, and mental diseases. Am J Med Genet B Neu-ropsychiatr Genet. 2017 Sep;174(6):651–60. Aucoin M, Bhardwaj S. Major depressive disorder and food hypersensitivity: a case report. Neuropsychobiology. (2019) 78:249–55 Berk, Michael et al. 2013.…